Irgendwann im Sommer 2006:
Ich war damals grad frischg'fangter Segelfluglehrer und Roman war mein erster Flugschüler.
Am Ende meiner Lehrerausbildung hat uns Jung-Fluglehrern der Kursleiter gesagt "und jetzt wünsche ich euch noch einen ganz jungen Buam als ersten Flugschüler, weil die am einfachsten sind"
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Roman war 14 Jahre alt!
Ziemlich untypisch für seine Altersgenossen hat er aber schon damals ganz genau gewusst, dass er Linienpilot werden wollte.
Mehr als Scherz hab ich zu ihm gesagt "dann nimmst mich aber mal im Cockpit mit". Roman's Antwort "genau, das machen wir".
Anfang Jänner 2015:
Ich bin immer noch Segelfluglehrer und Roman fliegt seit ein paar Monaten tatsächlich als Copilot in einem Linien-Jet.
Wir haben zwar noch ein paarmal über unsere alte Vereinbarung gescherzt, aber ich wollte ihm so früh im gerade erst begonnenen Berufsleben keinen zusätzlichen Stress machen und mir war auch klar, dass unser Vorhaben nach 9/11 nicht mehr ganz so einfach ist.
Rechtzeitig zu meinem 50. Geburtstag hat mich Roman angerufen und mir 3 Termin zur Auswahl gegeben. Ich nehme den Flug nach Hannover, weil's mir eigentlich eh wurscht ist, wo's hingeht und mir
der Termin am besten passt.
23. Jänner 2015, ca. 14:00
Ich sitze am Flughafen Wien-Schwechat und warte auf das Boarding für den Flug AB8445 nach Hannover. Um mich herum warten noch 99 andere Passagiere, fadisierte Geschäftsreisende und aufgeregte Urlauber, alle natürlich mit den üblichen Trolleys im Schlepp. Nur ich bin ziemlich spartanisch unterwegs - Geldbörsel, Autoschlüssel, Handy, Pocketkamera und ein halbes Packerl Taschentücher passen in die Hosentaschen und mehr brauche ich nicht mit. Nicht mal einen Zettel hab ich dabei, eingecheckt hab ich übers Internet und der komische QR-Code am Handy öffnet alle notwendigen Türen für diesen Flug.
Als ich so warte steht plötzlich Michi, ein anderer ehemaliger Flugschüler, den ich kurz nach Roman ausgebildet habe, vor mir - in der Pilotenuniform und gerade von einem Flug aus Stockholm gelandet. Roman und Michi haben nämlich gemeinsam die Linienpilotenausbildung gemacht und fliegen jetzt beide für Niki.
Ungefähr 40 Minuten vor der geplanten Abflugzeit kommt Roman mit der restlichen Crew.
Der Kapitän ist ein recht umgänglicher Vorarlberger mit gutem Auto-Geschmack (weißer Range Rover Evoque, hehe) und redet gleich mit dem Schalterpersonal, dass ich noch vor den anderen Passagieren
mit der Crew in den Flieger kann.
Der Kapitän macht seinen obligatorischen Außenrundgang um den Flieger und Roman beginnt mit der Cockpit-Vorbereitung. Meinen campingsesselartigen Sitz direkt vor der Cockpittür kann ich noch nicht aufbauen, daher bleibt mir (zumindest kurzfristig) nur der Chef-Sessel.
Am Hinflug ist der Kapitän "flying pilot" und Roman erledigt die Funkerei und den Rest.
Ich hab zwar schon vor einigen Jahren auf einem ähnlichen Flug mitfliegen dürfen, aber diese ganz eigene Atmosphäre in einem Airliner-Cockpit ist für mich immer wieder faszinierend: Auf der einen Seite ist es ziemlich locker, aber wenn's um Fliegen geht, dann merkst sofort die Professionalität und dass du als Trittbrettfahrer besser nicht stören solltest.
An dieser Stelle vielleicht noch ein paar Worte zum Flieger:
Der in Brasilien gebaute Embraer 190 ist vielleicht für Nichtflieger nicht ganz so bekannt wie Boeing oder Airbus, aber wie man im Cockpit sehen kann ein topmoderner Passagierjet. Er ist mit 50t Abfluggewicht und 112 Passagierplätzen zwar etwas kleiner, aber dafür in dieser Klasse ziemlich erfolgreich und praktisch konkurrenzlos.
Der Erstflug war 2004 und seit 2005 fliegt er im Liniendienst.
Weitere Informationen: Wikipedia Link zum
Hersteller
Zurück zu unserem Flug:
Das Wetter ist ziemlich fad, die geschlossene Wolkendecke unter uns ist zwar nicht recht hoch, aber dafür in jeder Richtung bis zum Horizont eine einzige riesige Fläche - von Ausblick ist es also wirklich völlig wurscht, wo wir hinfliegen.
Link zur Aufzeichnung unseres Flugweges auf Flightradar24: AB8445
Nach der Landung in Hannover organisiert unser Kapitän mit einem Flugplatz-Typen, dass ich gar nicht mit den anderen Passagieren aussteigen brauche, sondern mit der Crew beim Flieger bleiben kann und Roman zeigt mir in der Zwischenzeit den Flieger von Außen.
Für den Rückflug werden die Rollen getauscht: Roman fliegt jetzt als "flying pilot" das Flugzeug und der Kapitän erledigt als "non flying pilot" den Rest und trägt natürlich weiterhin die volle
Verantwortung über den Flug.
Unser Heimflug nach Wien geht in die Nacht hinein, aber das habe ich auch so gewollt, weil gerade die Nachtfliegerei für mich völliges Neuland ist. Leider ist daher nur mehr dieses stylisch verwischte Foto möglich.
Noch cooler wäre natürlich ein Flug in den Sonnenuntergang, aber dann würden wir erst nach 40.000 km wieder nach Wien kommen.
Hier ist wieder der Link zu unserem Flugweg AB8444
Die Landung in Wien erledigt Roman absolut souverän. Ich hab auch nix anderes erwartet und letztendlich beweist er damit nur die alte Fliegerweisheit:
Wer einen Falken (Motorsegler) landen kann, der kann auch jedes andere Flugzeug landen.
Abschließend möchte ich mich noch bei Roman für diesen ganz besonderen Flug bedanken und dass er sein Versprechen über die vielen Jahre nicht vergessen hat.
Als Fluglehrer bedeutet es mir sehr viel, dass ich ihm (und auch Michi) als Buben den Einstieg in die Fliegerei ermöglichen habe können und sie heute ihr Geld damit verdienen.
Dass Roman noch dazu mein allererster Flugschüler war setzt dem Ganzen den I-Punkt drauf.
... und wenn Roman in ein paar Jahren Kapitän wird, dann fliege ich wieder mit ...