Nachdem mich die Herbst-Urlaube der letzten Jahre dreimal an die Küsten von Kroatien und nach Südtirol geführt haben, bleib ich diesmal etwas bodenständiger und will ganz Österreich mit dem Wohnmobil bereisen. Und zwar immer möglichst nah an der Grenze entlang bis ich wieder zuhause bin.
Die Inspiration zu dieser Reise ist schon vor rund einem Jahr beim österreichischen Segelfliegertag im steirischen Ennstal entstanden. Einer der Vortragenden war damals Thomas Frühwirth, ein querschnittgelähmter Extremsportler und faszinierender Mensch, der diese 2500km-Strecke mit dem Handbike gefahren ist.
Interessant war auch die Reaktion von Freunden und Bekannten, denen ich von meinen Absichten erzählt habe. Es haben nämlich alle ganz ähnlich reagiert – zuerst Verwunderung über diese komische Idee, dann ein Moment zum Nachdenken und danach Zustimmung so in der Art „ja - eigentlich - klingt interessant!“
Die Reisevorbereitung war diesmal auch etwas umfangreicher, weil ich kein Navi kenne, dem du einfach sagen kannst, dass du entlang einer Grenze fahren willst. Es sind also rund 20-30 Zwischenziele pro Tag zu definieren, damit die Route immer schön entlang der Grenze bleibt. Ich hab das aber eh schon an einem kalten Wintertag am PC erledigt, so dass ich jetzt nur die Routen aufs Handy übertragen brauche. Falls es irgendjemanden interessieren sollte, das PC-Programm ist „ITN Converter“ und am Handy verwende ich „Sygic“ als Navi-App.
Geplant habe ich 11 Tages-Etappen, was rund 200-250 km pro Tag ergibt. Das sollte auch auf schlechteren Straßen in 4-5 Stunden zu schaffen sein, sodass noch genug Zeit zum Umschauen und Fotografieren bleibt. Je nach Lust und Laune kann ich aber auch irgendwo 1-2 Tage länger bleiben oder einen zusätzlichen Stopp einlegen.
Montag, 25.09.2017 - Tag 1
Los geht’s!
Der kürzeste Weg von mir Zuhause zur Grenze ist nach Angern an der March, wo schon nach 15 Minuten die einzige Navigationsentscheidung dieser Reise zu treffen ist: Links oder rechts herum um Österreich? Ich entscheide mich für links, also entgegen dem Uhrzeigersinn.
Die erste Stunde entlang der B8 ist ein Heimspiel, aber hinter Hohenau werden die Straßen enger und die Orientierung im Kopf lückenhafter. Von Laa bis Haugsdorf wird’s entlang der B45 wieder deutlich weitläufiger. Ab Retz sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit wieder markant, dafür wird die Gegend immer herrlicher und bei Hardegg sogar richtig wildromantisch schön. Durch Groß-Taxen ist leider die Straße gesperrt, wodurch ich ein paar km zurück und weiter weg von der Grenze fahren muss. Die Sperre war zwar rechtzeitig, aber für mich unverständlich ausgeschildert, weil offensichtlich niemand damit rechnet, dass in dieser Gegend auch Ortsunkundige vorbeikommen könnten. Immerhin komme ich so auch mal auf der Straße zum Flugplatz Dobersberg, aber ich schwöre, dass ich nicht stehen geblieben bin.
Der Verkehr ist auch auf den Bundesstraßen nicht störend und auf den Nebenstraßen praktisch gar nicht vorhanden. Das Wetter ist recht angenehm zum Fahren – durch die geschlossene Wolkendecke blendet die Sonne nicht und die vereinzelten leichten Regenschauer stören auch nicht.
Der Campingplatz in Reingers ist recht gepflegt und sehr ruhig. Ein paar andere Camper sind auch da, aber gleichmäßig über den Platz verteilt und nicht störend. Campingplatz-WLAN und mobiles Internet sind zum Vergessen.
Kugelpanorama vom Campingplatz:
Haarstubencamping Reingers #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kilometerstand: 254 km
Standort zum Übernachten: Haarstubencampingplatz Reingers, am Mühlteich
nördlich von Reingers
Dienstag, 26.09.2017 - Tag 2
Also, ich hab ja vollstes Verständnis, das jemand Zeit und Geld in altes landwirtschaftliches Gerät investiert. Etwas weniger Verständnis habe ich, wenn diejenigen auch noch genauso alte Wohnwägen an ihre Traktoren anhängen und als rollendes Verkehrhindernis unterwegs sind - meist im Konvoi mit Gleichgesinnten. Null Verständnis habe ich aber, wenn diese lieben Mitmenschen ihre sch… Traktoren in aller Herrgottfrüh starten und eine Viertelstunde lärmend, stinkend und dichten schwarzen Rauch produzierend am Campingplatz warmlaufen lassen, nur um mit 2 Traktoren 500m ins Dorf um frische Semmeln zu fahren! Ich hoffe, Du hast Verständnis für meine Schadensfreude, weil es genau bei der Abfahrt der Traktoristen zu regnen beginnt.
Mir ist klar, dass 270 km im Winkelwerk vom Wald- und Mühlviertel ziemlich zach werden. Die Straßen sind eng, sehr eng, einspurig und rund 15 km sind sogar nur geschottert. Die Fünfte rühr ich so gut wie nie ins Fiat-Getriebe, dafür geht’s bergauf oft bis zur Zweiten runter.
Die nette Dame aus dem Navi will mich zweimal über die Grenze nach Tschechien leiten, was ich aber nicht will. Keine Ahnung, wie ich ihr das für die nächsten Tage abgewöhnen kann.
Wetter und Verkehrslage sind genau wie gestern.
Der Campingplatz in Engelhartszell reißt mich nicht gerade vom Hocker. Die direkte Lage an der Donau hat zwar einen gewissen Charme, aber die Wohnwägen der Dauercamper erinnern eher an ein Flüchtlingslager. Wird schon einen Grund haben, dass ich z.Zt. der einzige Bewohner des Platzes bin …
Mittwoch, 27.09.2017 - Tag 3
Was für ein herrlicher Altweibersommertag, sofern man/frau das heute überhaupt noch schreiben darf, andernfalls entschuldige ich mich in aller Form bei allen alten Weibern. In der Früh (für mich 8h) liegt noch Morgennebel im Donautal, der sich aber bis zu meiner Abfahrt um 10h vollständig auflöst. Danach scheint den ganzen Tag die Sonne vor tiefblauem Himmel.
Bis Passau bildet die Donau die Grenze zu Deutschland, von Passau bis Braunau der Inn und dann bis Salzburg die Salzach. Die Täler dieser Grenzflüsse sind auf beiden Seiten deutlich dichter besiedelt als das Wald- und Mühlviertel der letzten 2 Tage. Die Orte sind größer, interessanter und haben meist historische Hauptplätze. Leider ist auch der Verkehr mehr, die Shopping-Zentren schaun genauso aus wie überall und schiache Fabriken gibt’s ebenfalls.
In Passau fließt der Inn in die Donau, was genau genommen falsch ist, weil an dieser Stelle der Inn der größere Fluss ist - Wien liegt also am schönen blauen Inn! Vereinsausflüge sind nämlich nicht nur zur Belustigung, sondern auch zur Bildung (Link).
Dass in Schärding Parkplätze Mangelware sind weiß ich von der Segelkunstflug-Staatsmeisterschaft vor einer Woche. Dazu gibt’s einen Bericht von mir auf der HP des FSV Stockerau (Link). Ich versuch also gar nicht stehenzubleiben und mach nur ein paar Fotos aus dem fahrenden Auto.
Mindestens genauso sehenswert (und ohne Parkplatzprobleme) ist der Marktplatz von Obernberg am Inn:
Marktplatz von Obernberg am Inn #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
In Braunau verfehle ich irgendwie den Hauptplatz und das Führer-Geburtshaus suche ich gar nicht, weil’s mir völlig wurscht ist.
Die Altstadt von Salzburg habe ich schon oft genug gesehen und lasse sie daher absichtlich links liegen. Hier leistet sich die Dame mit der netten Stimme aus meinem Navi auch den einzigen Fauxpas des Tages und führt mich für 2 km auf die Westautobahn weil sie das für schneller hält. Das mag schon sein, ist aber nicht das Ziel dieser Reise. Sonst hat sie mich heute sehr zielsicher über 33 Wegpunkte geführt.
Ich folge dem Salzachtal über Hallein, den Pass Lueg, Werfen und Bischofshofen, damit ich um den südlichsten Zipfel von Deutschland mit Königssee und Watzmann herumkomme. Ich fahre noch ein paar km weiter zu einem recht gepflegten Campingplatz mitten im Ortsgebiet von St. Johann im Pongau.
Donnerstag, 28.09.2017 - Tag 4
Auf nach Tirol!
Ich fahre über den Dientener Sattel nach Saalfelden, von dort über die gut ausgebaute Bundesstraße bis Lofer und über Kössen nach Kufstein, wo ich mich wieder ins Inntal einfädle. Der Weg bis Innsbruck ist relativ mühsam, weil ich die nördlichsten Nebenstraßen fahre und das Navi für 100 km zweieinhalb Stunden kalkuliert. Trotzdem bin ich bis zu 20 km von der Grenze entfernt, aber es gibt halt kein anderes Längstal durch Tirol und auf beiden Seiten stehen richtig große Berge im Weg.
Kurz vor Innsbruck besuche ich einen Niederösterreichischen Freund, der sein Home-Office in der Wohnung eines Tiroler Freundes aufgeschlagen hat, um für seine Innsbrucker Arbeitgeber zu hackeln. Der Grund unseres Treffens ist eine große Tasche mit Stoffbezügen für ein Segelflugzeug, die eigentlich in Innsbruck sein sollten, tatsächlich aber in Stockerau waren und mein NÖ-Freund wollte nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug nach Tirol fahren, aber dafür war die Tasche zu groß. Ich erwähne die zugegebenermaßen etwas komplizierte Geschichte nur weil mir mein NÖ-Freund eindringlich davon abrät, zur Rush-Hour durch Innsbruck zu fahren. Ich befolge seinen Rat und fahre stattdessen ein paar km auf der Autobahn.
Der Campingplatz in Seefeld ist der schönste und beste von allen die ich kenne. Ich war hier schon vor ein paar Jahren und es ist der erste Platz überhaupt, den ich ein zweites Mal besuche.
Zwei Kugelpanoramen vom Campingplatz:
Campingplatz Seefeld #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Campingplatz Seefeld #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kilometerstand: 1038 km
Standort zum Übernachten: Camp Alpin auf 1180m Seehöhe, ca. 500m außerhalb von Seefeld
Freitag, 29.09.2017 - Tag 5
Vor der Abfahrt entsorge ich Abwasser und Müll und fülle meinen Frischwassertank wieder randvoll auf.
Die heutige Fahrt geht über Telfs und Nassereith bis Reutte, wobei sich über den Fernpass in beide Richtungen endlose Autokolonnen wälzen. Der Verkehr fließt aber erstaunlich zügig - die LKWs und großen Wohnmobile geben die Pace vor und alle anderen brauchen ans Überholen gar nicht denken.
Bei Reutte biege ich dann ins Lechtal ab und fahre über den Hochtannbergpass (1700m) und den Bregenzer Wald zum Bodensee.
Irgendwo ganz hinten in Vorarlberg passiert der kommunikative Super-GAU:
Zuerst ist nur die nette Navi-Dame nimmer nett und schweigt beharrlich (kenn ich schon vom Vorjahr, nur war‘s damals ein älteres Handy). Ich mache das was jeder Administrator raten würde, nämlich einen Neustart. Das hilft in 9 von 10 Fällen, nur bei mir wird alles noch schlimmer, weil das Handy beim Booten hängenbleibt und außer einem blinkenden Samsung-Schriftzug nix mehr macht. Früher hab ich in solchen Fällen einfach den Akku kurz entfernt und danach ist es immer normal hochgefahren – das neue Wunderhandy ist zwar wasserdicht, aber auch versiegelt. Langsam gehen die Ideen aus. Navi tot, Telefon tot, Internet tot, der Holzknecht vorm Wohnmobil kann mir sicher alles über seine Stihl erklären, aber garantiert nix über mein Samsung Galaxy S7. Wo hab ich die uralten Straßenkarten im Wohnmobil verräumt?
Es gibt sicher irgendeinen Schmäh, wie man das Handy auch in solchen Situationen zum Neustart zwingen kann. Ich hab sogar die Bedienungsanleitung am Notebook, aber da steht genau nix drinnen. Im aufkommenden Frust probiere ich einfach ziellos mögliche Kombinationen der 4 Hardware-Tasten aus. Eigentlich aussichtslos, aber irgendwann bootet das Handy wieder ganz normal, nur die Navi-Tante bleibt schweigsam, was aber das geringere Übel ist. Übrigens, die richtige Kombination ist Leiser-Taste und Einschalt-Taste gleichzeitig 7 Sekunden lang zu drücken.
Der Campingplatz in Fußach liegt zwar direkt am Bodensee, war aber bis zu meiner Ankunft zu 100% in der Hand von Dauercampern. Dem aufmerksamen Leser wird schon aufgefallen sein, dass das nicht unbedingt meine Lieblings-Nachbarn sind, wobei diese hier eh zu den ordentlicheren gehören.
Nach einer Stunde zureden ist die Navi-Dame auch wieder nett und spricht wieder zu mir.
Kugelpanorama vom "Ländle":
s'Ländle #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kilometerstand: 1263 km
Standort zum Übernachten: Campingplatz am Rohrspitz, direkt am Bodensee, 3 km nördlich von Fußach
Samstag, 30.09.2017 - Tag 6
Die heutige Strecke ist mit 120 km nur etwa halb so lang wie an den letzten Tagen. Trotzdem kalkuliert mein Navi fast 3 Stunden dafür.
Der Stop & Go Verkehr im dicht besiedelten Bodenseeraum ist einfach ärgerlich und bis Feldkirch reiße ich eine halbe Stunde Verspätung auf - offensichtlich hat mich hier ganz im Westen von Österreich die Zivilisation mit ihren Problemen wieder eingeholt.
Bei Bludenz geht’s ins Montafon und da ist zum Glück der Verkehr kein Thema mehr.
Die Maut für die Silvretta-Hochalpenstraße ist mit 21,50€ für ein Wohnmobil schon arg auf der happigen Seite, aber letztendlich ist die hochalpine Landschaft jeden Cent wert und hundert Mal gscheiter, als um den halben Preis durch ein 14 km langes Loch im Arlberg zu fahren.
Zeit hab ich genug eingeplant, dass ich in jeder zweiten Kehre und am Stausee auf über 2000m Seehöhe sowieso zum Fotografieren stehen bleiben kann.
Auf der Tiroler Seite fahre ich gar nicht ins Tal runter, sondern biege nach ein paar km nach links ab, um zum Zeinissee zu fahren. Ich gehe stark davon aus, dass der kleine Campingplatz direkt am See mit 1820m Seehöhe der höchstgelegene in Österreich, wenn nicht sogar in ganz Europa ist. Für mich war schon bei der Reiseplanung im Winter klar, dass dieser einzigartige Campingplatz im hochalpinen Gelände weit oberhalb der Baumgrenze der absolute Höhepunkt dieser Reise sein wird und er hat alle Erwartungen mehr als erfüllt. Kein Wunder, dass dieser Platz so spät in der Saison noch immer recht gut belegt ist.
Laut Wetterbericht hätten schon am frühen Nachmittag die ersten Gewitter auftreten sollen, aber das herrliche Fotowetter mit tiefblauem Himmel und schönen Wolkenformationen hält bis zum Abend an. Die Temperatur im Schatten ist höhenbedingt natürlich auf der knackigen Seite und soll in der Nacht noch weiter bis knapp über Null fallen. Ab 21h beginnt es sich dann doch noch einzuregnen - die Zelt-Camper beneide ich jedenfalls nicht.
Kugelpanorama vom Silvretta-Stausee:
Silvretta-Stausee #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kugelpanorama von der Staumauer:
Silvretta-Stausee #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kugelpanorama von der Silvretta-Hochalpenstraße:
Silvretta-Hochalpenstraße #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kugelpanorama von der hochalpinen Landschaft:
Silvretta-Hochalpenstraße #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kugelpanorama vom höchsten Campingplatz Österreichs:
Campingplatz Zeinissee #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kilometerstand: 1381 km
Standort zum Übernachten: Campingplatz am Zeinissee auf 1820m Seehöhe, ca. 5 km westlich von Galtür
Sonntag, 01.10.2017 - Tag 7
Das Wetter ist hier heroben ziemlich grauslich – leichter Regen schon in der ganzen Nacht, in der Früh Nebel und 3 Grad über dem Gefrierpunkt.
Ich bin etwas unschlüssig, weil ich eigentlich noch einen weiteren Tag im Hochgebirge bleiben möchte. Ich hätte auch kein Problem, einen Schlechtwettertag hier auszusitzen. Leider ist die gesamte Internet-Bandbreite so hoch am Berg ziemlich schwach und die teilen sich rund 20 Personen am Campingplatz und weiter 30 fadisieren sich wetterbedingt im angrenzenden Zeinisjochhaus. Meinen gestrigen Blog-Artikel hab ich aus diesem Grund überhaupt erst kurz vor 2h in der Nacht ins Netz stellen können.
Schlechtes Wetter und schlechtes Internet ist eine Kombination, die ziemlich schnell ziemlich fad werden kann und daher entscheide ich mich schweren Herzens zur Abreise.
Ich fahre das Paznauntal über Galtür und Ischgl runter bis Landegg. Die Straße ist wie ausgestorben – die anständigen Leut‘ sind am Tag des Herren in der Kirche oder zuhause, die weniger anständigen schlafen sich gerade den gepflegten Wochenendrausch aus und die Sonntagsfahrer fürchten sich vorm Regen.
Ab Landegg fahre ich wieder die Inntal-Bundesstraße runter, wo ich aber kurz nach Imst ins herrliche Kühtai abbiege. Dort geht es schier endlos bergauf und das Ziel der Quälerei im 2 oder 3 Gang ist der Kühtaisattel auf 2017m. Die Abfahrt bis Axams ist deutlich länger, daher weniger steil, weniger kurvenreich und flüssiger zu fahren.
Durch Innsbruck fahre ich diesmal mitten durch (ist ja Sonntag), aber schon vor der Stadteinfahrt stehe ich wegen einem Verkehrsunfall im Stau. Ich könnte wie einige vor mir auch umdrehen und wieder über die Autobahn fahren, aber wozu? Mein Kühlschrank ist randvoll und ob ich hier oder am Campingplatz länger stehe ist auch egal. Nach 20 Minuten sind die Wracks verladen und der Verkehr rollt wieder. Der Stadtverkehr ist mittelmäßig zach und die Nahverkehrs-Chaoten habe ich schon fast vermisst.
Bei Jenbach verlasse ich das Inntal, das ich in den letzten Tagen von Passau bis Landegg immer wieder entlang gefahren bin, endgültig für diese Reise und fahre das Zillertal bis zum Campingplatz mitten im Ortsgebiet von Zell am Ziller.
Ah ja das Wetter: Leicht geregnet hat es praktisch auf der ganzen Strecke, daher bin ich nur recht selten zum Fotografieren stehen geblieben. Offensichtlich bin ich ziemlich synchron mit den Regenschauern vom Westen nach Osten gezogen.
Kilometerstand: 1577 km
Standort zum Übernachten: Campingdorf Hofer im Ortsgebiet von Zell am Ziller
Montag, 02.10.2017 - Tag 8
Die gestrige Regenfront ist durch und ich wache in der Früh bei herrlichstem Reisewetter auf.
Ich fahre über den Gerlospass (1628m), der die Bundesländer Tirol und Salzburg verbindet. Ein paar km südlicher hat Salzburg eine kurze gemeinsame Grenze mit Italien. Es gibt dort keine Siedlungen und nicht mal Straßen über diese Grenze, aber immerhin ist dadurch Osttirol vom restlichen Tirol abgeschnitten.
Bei der Abfahrt vom Gerlospass sehe ich schon bald die imposanten Krimmler Wasserfälle, die mit 380m Fallhöhe die größten Europas sein sollen. Ich entscheide spontan, dass ich mir dieses Naturschauspiel nicht entgehen lasse und wandere rund 300 Höhenmeter bis zum mittleren der 3 Wasserfälle.
Weiter geht’s entlang der Salzach in den Pinzgau, wo ich in Mittersil Richtung Süden abbiege, um über den Felbertauerntunnel den Alpenhauptkamm zu überqueren. Die Bundesstraße ist recht gut ausgebaut und zum ersten mal auf dieser Reise komme ich recht flott voran.
Eigentlich wollte ich heute ja noch bis Hermagor kommen, aber die Krimmler Wasserfälle haben mich fast 3 Stunden gekostet, so dass ich jetzt halt auf einem recht gepflegten Campingplatz in Lienz übernachte. Immerhin habe ich noch etwas Zeit, um mit dem Elektro-Scooter den Hauptplatz zu besichtigen.
Dienstag, 03.10.2017 - Tag 9
Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen kenne ich die heutige Strecke durch das Pustertal, das Lesachtal und das Gailtal recht gut, weil ich in dieser Gegend schon mehrfach auf Urlaub und zum Segelfliegen war. Trotzdem gehört diese Strecke zu meiner Österreich-Rundfahrt dazu und für mich persönlich ist Osttirol sowieso eine der schönsten Ecken unseres Landes.
Ab Hermagor beginnt’s wieder mal zu regnen – jeden Tag ein neues Wetter!
Neuland wird für mich erst der letzte Abschnitt von Arnoldstein bis zum Campingplatz am Faaker See. Die Plätze direkt am See sind leider schon gesperrt, aber bei 15°C Lufttemperatur, Wind und Regenschauern hab ich eh wenig Lust zum Baden.
Ich umrunde also den See und finde auf der Westseite einen recht gepflegten und weitläufigen Platz, der offensichtlich noch offen hat. An der Rezeption ist jedoch niemand anzutreffen und auf der ausgehängten Telefonnummer hebt auch niemand ab. Ich suche mir einfach ein schönes Platzerl aus und finde sogar einen unversperrten Stromkasten.
Später treffe ich doch noch einen bewaffneten Mann im grünen Zwirn, der irgendwie zum Platz gehört, aber der meint nur im schönsten Kärntnerisch: „des mochma muagn, weu heit geh i auf an Hiaschn, damit ma im Winta wos zum Essn hom“ – ok, leuchtet ein, dass die Nahrungsversorgung der Familie wichtiger ist.
Kilometerstand: 1878 km
Standort zum Übernachten: Camping Poglitsch, am nördliche Ortsrand von Faak am See
Mittwoch, 04.10.2017 - Tag 10
Gestern hat’s geregnet, daher ist der heutige Tag umso schöner mit strahlend blauem Himmel und fotogenen Wolkenformationen.
Wie nicht schwer zu erraten ist, geht die heutige Fahrt entlang der südlichen Landesgrenze zu Slowenien. Zuerst durchs Rosental mit der Büchsenmacherstadt Ferlach, dann weiter über Bleiburg und ab Lavamünd geht’s wieder Serpentinen rauf zur 1347m hohen Soboth. In der Nähe des Passes verläuft auch die Grenze zur Südsteiermark wo ich schon bald die gleichnamige Weinstraße entlangfahre.
In Mureck finde ich einen recht sauberen Campingplatz für die heutige Nacht, der aber hauptsächlich von Durchreisenden von und nach Slowenien bzw. Kroatien besucht wird.
Ich hab noch Zeit und besichtige die Schiffsmühe am Ufer der Mur, die hier auch die Landesgrenze bildet. Das urige Restaurant im "Mühlenhof" kann ich auch sehr empfehlen.
Kugelpanorama vom Magdalensberg bei Lavamünd:
Magdalensberg bei Lavamünd #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Donnerstag, 05.10.2017 - Tag 11
Der Herbst zeigt sich nochmal von seiner schönsten Seite – wolkenloser Himmel und Temperaturen bis sommerliche 25°C.
Die Südsteiermark und das Südburgenland sind ähnlich mühsam zu fahren wie das Wald- und Mühlviertel. Viele Kurven und Abzweigungen, enge Straßen und zum Teil einspurig, bergauf und bergab.
Auf der Passhöhe des Geschriebenstein beschließe ich, die halbe Stunde zum Aussichtsturm direkt an der ungarischen Grenze zu wandern. Ich kann somit mit Stolz verkünden, dass ich den höchsten Berg des Burgenlandes (884m) bezwungen habe.
Der Campingplatz in Lutzmannsburg ist ähnlich sauber und gepflegt wie die meisten bisher auf dieser Reise. Die Rezeption ist unbesetzt, aber das Verfahren kenne ich eh schon.
In der Nacht kommt recht starker Wind auf und lässt die Hütte ordentlich wackeln.
Kugelpanorama vom Aussichtsturm am Geschriebenstein:
Geschriebenstein #theta360 - Spherical Image - RICOH THETA
Kilometerstand: 2281 km
Standort zum Übernachten: Camping Sonnenland, am nördlichen Ortsrand von Lutzmannsburg.
Freitag, 06.10.2017 - Tag 12
Deutlich kühler als zuletzt, stürmischer Wind und schöne Wolken damit die Fotos nicht so fad werden.
Nachdem ich gestern relativ spät angekommen bin und mit Dämmerungsfotos beschäftigt war, habe ich erst heute die obligatorische Campingplatzrunde gemacht. Ich erwähne das deshalb, weil der Campngplatz in Lutzmannsburg viele Dinge hat, die ich sonst noch nirgends gefunden habe: Es gibt einen Streichelzoo mit Ponys, Eseln und jeder Menge Kleinvieh, einen Badeteich, Indoorspielplätze, Familienwaschräume mit Badewanne - ein echter Geheimtipp, besonders für Camper mit Kindern.
Die heutige Fahrt ist mit rund 150km nicht allzu weit und es geht relativ zügig dahin.
Nach Eisenstadt komme ich eher zufällig, weil ich der Navi-Dame nicht gesagt habe, dass ich keine Autobahnen fahren möchte. Weil ich aber schon da bin, nutze ich die Gelegenheit für den letzten und schnellen Supermarkteinkauf auf dieser Reise. Zielsicher treffe ich natürlich die langsamste Kasse. Vor mir ist eine Frau mit zwei randvollen Wagerl, das Handy permanent am Ohr und wenn’s die geistige Kapazität neben dem Telefonieren noch zulässt, dann schaut sie jedes Packerl dreimal an und überlegt, wo sie es hinlegen soll. Als sie nach dem Zahlen auch noch über ihre beim Telefonieren vergessenen Rabattmarkerl zu diskutieren anfängt überlege ich ernsthaft, ob ich nicht einfach meine kalt werdenden Leberkässemmeln und den Rest am Förderband liegen lasse und gehe.
Ein paar km weiter schaue ich mir die Reste des in den 90er-Jahren geschlossenen Flugplatzes in Trausdorf an. Tower und Hangar sind noch da, nur die Piste fehlt, weil damals ein paar präpotente Herren den Bauern und Grundstücksbesitzer (nicht ganz unwesentlich) solange verärgert haben, bis dieser sein stärkstes Argument, nämlich den Pflug, eingesetzt hat und damit einfach durch die Graspiste gefahren ist.
In Rust habe ich das Problem, dass ich mit meiner Tour entlang der Grenze am Neusiedlersee anstehe. Die Fähre transportiert nur Fußgänger und Radfahrer, aber nicht mein über 3 Tonnen schweres Wohnmobil. Hilft alles nix – ich muss um den ganzen See herumfahren.
Der Campingplatz in Podersdorf enttäuscht alle meine Erwartungen. Ich wollte mal eine Nacht auf einem Platz verbringen, der alle Klischees über dauercampende Wochenendausflügler aus einer Großstadt erfüllt, mir quasi eine besondere Form der Selbstgeißelung verpassen. Gefunden habe ich genau nix von meinen negativen Erwartungen. Der Platz ist sauber und gepflegt, auch dort wo die Dauercamper sind, alles funktioniert und die schrulligen, raunzerten Typen aus den Pseudo-Fernsehdokumentationen hab ich auch nicht angetroffen, dafür coole und lässige Kite- und Windsurfer - so kann man sich täuschen!.
Kilometerstand: 2429 km
Standort zum Übernachten: Strandcamping Podersdorf am See, direkt
am Ufer des Neusiedlersees
Samstag, 07.10.2017 - Tag 13
Die letzten 150 km meiner Österreich-Rundfahrt gehen entlang der burgenländischen und niederösterreichischen Grenze zu Ungarn und zur Slowakei.
Was willst da noch großartiges sehen außer Wein- und Ackerbau und davon geprägte Orte? Das wird sich jetzt vielleicht der eine oder andere Leser genauso denken wie ich selbst - schwer getäuscht!
Gerade als ich überlege, einfach eine Zeitlang noch den Surfern am Neusiedlersee zuzuschauen, fällt mir ein, dass ich schon seit ewigen Zeiten die Marchfeldschlösser besichtigen will. Schloss Eckartsau kenne ich von der Hochzeit meines Bruders, aber alle anderen sind sich irgendwie nie ausgegangen. Wenn ich wollte war ich grade nicht dort und wenn ich zufällig dort war hab ich nie Zeit gehabt. Heute führt mich mein Weg daran vorbei und Zeit hab ich auch – Pech für die Surfer!
Schloss Niederweiden erscheint als erstes vor der Fiat-Windschutzscheibe und ich kaufe gleich ein Kombi-Ticket um stolze 16€, das auch für Schloss Hof gilt.
Schloss Niederweiden ist zwar von außen recht nett anzusehen, aber innen eine herbe Enttäuschung, weil vollständig leergeräumt. Es ist zwar eine Ausstellung mit irgendwelchen Schriftstücken, die sicher historisch wertvoll sind, aber ich frag mich, wer das alles lesen soll. Nach 20 Minuten bin ich fertig mit Schoss Niederweiden und ärgere mich ein bisserl über den Eintrittspreis.
In Schloss Hof dagegen bring ich den Mund fast nimmer zu vor lauter staunen. Mir war schon klar, dass es das größte der Marchfeldschlösser ist und einen superschönen Garten hat, aber die tatsächlichen Ausmaße habe ich so nicht mal ansatzweise erwartet. Aber nicht nur das Schloss ist renoviert und zu besichtigen, sondern auch der dazugehörende Gutshof, wo damals über 100 Personen für das Wohl der Herrschaften gesorgt haben. Sehr imposant ist auch eine Ausstellung über die Renovierung des völlig heruntergekommenen Schlosses für die NÖ-Landesausstellung 1986. Schau dir einfach die Fotos an, für mich ist Schloss Hof jedenfalls ein mehr als würdiger Abschluss meiner Reise.
Kilometerstand: 2590 km
Standort zum Übernachten: Zuhause
Zusammenfassung
GPS-Track der gesamten gefahrenen Strecke über 2590 km.
Verbrauch: 280 Liter Diesel (10,9 L/100km)
Ich hab von dieser Reise viel erwartet und noch mehr bekommen. Jeder Tag war anders und irgendwie auch ein Höhepunkt, ich will an dieser Stelle auch gar keinen Ort oder Moment besonders hervorheben. Letztendlich war die ganze Reise genauso abwechslungsreich wie unser Land abwechslungsreich ist.
Aus dem Bauch heraus würde ich schätzen, dass ich zu 70-75% auf Straßen und durch Orte gefahren bin, wo ich noch nie zuvor war. Das Fahren und Navigieren war zeitweise anspruchsvoller als ich erwartet habe und an den ersten Tagen waren auch die Strecken zu weit. 250 km klingen nicht nach viel und sind es auch nicht solange man auf der Autobahn bleibt, aber über die Berge, auf Nebenstraßen und durch die Dörfer bist du dafür incl. Pausen 6-7 Stunden unterwegs. Ich habe daher in der zweiten Woche die Tagesstrecken auf deutlich unter 200 km reduziert, war dadurch 2 Tage länger unterwegs und habe mehr gesehen.
Ich danke allen, die zumindest gedanklich mit mir mitgefahren sind und würde mich sehr freuen, wenn ich jemanden mit diesem Bericht zu einer ähnlichen Reise inspirieren könnte.